My current postdoc research relates to critical narration in post-cinema and contemporary art.
Spätestens seit den 1990er Jahren haben filmische Praktiken in der Gegenwartskunst Konjunktur. Filme und installative Filmanordnungen sind nicht einfach nur zum festen Bestandteil von Ausstellungen der bildenden Kunst in Museen oder auf Biennalen geworden.1 Auch die bildende Kunst selbst hat sich in einer „Entgrenzung der Künste“ hin auf Teile einer vormals als kinematographisch definierten Kultur des Films projiziert.2 Wo Filmpraktiken in die Anordnungen des White Cube sowie der Black Box migriert sind, spiegelt sich auch die Kunst selbst zurück auf – und in – den Film.
Was für die Beschreibung des wechselseitigen Verhältnisses von Film und bildender Kunst aus der Perspektive einer Filmkultur der Gegenwart auf dem Spiel steht, die sich selbst als „post-kinematographisch“ versteht,3 ist indes weniger der Umstand, dass die Kunst ein Interesse am Film als einem kulturellen, soziologischen und medialen Phänomen hätte, welches bis heute um das Gravitationszentrum „Kino“ kreiste. Während die Debatten zum Verhältnis von Kunst und Film in den vergangenen Jahren häufig noch auf den Fixpunkt Kino bezogen waren – davon zeugt die Rede vom „expanded cinema“ –,4 so legt der Blick auf neuere Phänomene eine andere Sichtweise als die vom sogenannten „Streit der Dispositive“ nahe.5 Unter den Bedingungen einer post-kinematographischen Filmkultur sollte davon ausgegangen werden, dass Film und bildende Kunst in produktiver Weise in einem Verhältnis der Entgrenzung zueinander stehen, mit Blick auf ihre Formen, Praktiken sowie die Orte ihres Erscheinens.
Insbesondere der Blick auf Formen des filmischen Erzählens ermöglicht es, den Film im Verhältnis zur bildenden Kunst auf produktive Art und Weise zu beschreiben, und zwar jenseits der einschränkenden Disziplinierungen, wie sie in der Rede vom Kinodispositiv mitschwingen. Denn es sind Erzählweisen – im Kino, aber auch im Fernsehen, im Internet, im öffentlichen Raum oder in vielfältigen Medienverbünden –, die zum Gegenstand einer Bearbeitung durch Künstler_innen der Gegenwart geworden sind. Sofern Erzählmuster bis heute ideologische, soziale oder historische Wissensordnungen prägen, ist das Interesse an einer Neuformatierung und einer Erweiterung narrativer Verfahren ein herausragendes Merkmal kritischer Filmpraktiken im Einzugsbereich der Gegenwartskunst. Die Arbeit an „erweiterten Erzählungen“, das heisst an Formen eines nicht-linearen, situierten oder kollaborativen filmischen Erzählens hat dazu geführt, dass filmische Erzählungen in den vergangenen Jahren zunehmend zu einer Artikulationsform künstlerischer Praxis avanciert sind, in welcher sich insbesondere auch zentrale Probleme und Fragestellungen reartikulierten, die künstlerische Praxis als eine Form von medienreflexiver Kritik adressieren. Die bildende Kunst, mit anderen Worten, ist einer der zentralen Schauplätze einer „relocation“ des Films,6 und der Blick auf die Formen eines post-kinematographischen Erzählens ermöglicht es, diesen Schauplatz zu vermessen.